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Kann man nach Tschernobyl reisen?
Aktueller Stand, persönliche Eindrücke und ein Blick nach vorn
Viele Menschen fragen mich, ob man heute noch nach Tschernobyl reisen kann.
Die kurze Antwort lautet: derzeit nicht. Die längere Antwort ist komplexer – und sie sagt viel über Krieg, Verantwortung und den Umgang mit Orten aus, die Geschichte in sich tragen.
Seit 2014 war ich unzählige Male in der Sperrzone unterwegs. Für mich und für viele meiner Teilnehmerinnen und Teilnehmer war Tschernobyl nie einfach ein Reiseziel. Es war ein Ort der Beobachtung. Ein Raum, in dem man langsamer wurde und genauer hinsah.
Pripjat wirkte immer wie ein angehaltener Moment. Als hätte jemand den Alltag mitten im Ablauf gestoppt. Schulräume mit Kreidetafeln, auf denen noch Aufgaben standen. Ein Riesenrad, das nie in Betrieb ging. Schwimmhallen, in denen der Geruch von Beton und Wasser geblieben ist. Während Straßen leer blieben, kehrte die Natur zurück. Wölfe, Elche, Wildpferde. Nicht spektakulär, sondern still. Schritt für Schritt.

Was ist passiert?
Am 24. Februar 2022, dem ersten Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine, änderte sich alles. Die Sperrzone von Tschernobyl wurde direkt besetzt. Russische Truppen rückten in das Gebiet ein – bis auf das Gelände des Kernkraftwerks und in die Stadt Pripjat.
Die ukrainischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kraftwerks mussten weiterarbeiten. Wochenlang. Ohne Ablösung. Unter enormem psychischem Druck und mit kaum Kontakt zur Außenwelt. Ein Szenario, das vielen erst im Nachhinein bewusst wurde.
Fünf Wochen später zogen die russischen Truppen wieder ab. Doch sie hinterließen einen Ort, der nicht mehr derselbe war.
Beschädigte Kabelanlagen. Teilweise ausgefallene Systeme zur Strahlungsüberwachung. Und vor allem: verminte Flächen. Nicht systematisch, sondern oft improvisiert, chaotisch, unberechenbar.
Das war ein tiefer Einschnitt. Nicht nur für die Sicherheit vor Ort, sondern auch für das Vertrauen, das nötig ist, um einen solchen Ort kontrolliert und verantwortungsvoll zugänglich zu machen.

Ist Tschernobyl heute gefährlicher als früher?
Nicht im klassischen Sinn.
Die Strahlung hat sich durch den Krieg nicht grundsätzlich verändert. Aber Krieg verändert alles andere: Zugänge, Kontrolle, Verwaltung, Infrastruktur – und vor allem die Sicherheit.
Deshalb sind Reisen in die Sperrzone derzeit ausgesetzt. Nicht aus Sensationsgründen. Sondern aus Verantwortung.

Kann man Tschernobyl wieder besuchen?
Ich glaube, dass man Tschernobyl wieder besuchen können wird. Nicht morgen. Vielleicht nicht übermorgen. Aber dieser Ort ist nicht verschwunden. Seine Bedeutung ist eher größer geworden.
Tschernobyl erzählt von technischer Hybris und Risiko. Aber auch von Anpassung, von Zeit – und von der Fähigkeit der Natur, Räume zurückzuerobern, ohne Fragen zu stellen. Wenn die Zeit reif ist und Sicherheit gewährleistet werden kann, wird eine Rückkehr möglich sein. Wahrscheinlich leiser als früher. Bewusster. Mit mehr Abstand – und mehr Respekt.
Wir stehen weiterhin in Kontakt mit unseren Partnern in der Ukraine. Viele von ihnen warten selbst darauf, dass dieser Ort wieder besucht werden kann. Für manche war es ihre Arbeit, für andere eine Berufung. Und für fast alle ein Teil ihrer Identität. Tschernobyl ist kein Ort für schnelle Antworten. Aber einer, der bleibt.

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