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Flughafen Tempelhof – Die monumentale Legende Berlins
Ein Lost Place voller Geschichte, Geheimnisse und architektonischer Extreme
Der stillgelegte Flughafen Tempelhof in Berlin zählt zu jenen Orten, die man betritt und sofort spürt, wie mächtig Geschichte sein kann. Als ich Ende 2013 meine Leidenschaft für die Fotografie neu entdeckte, zog es mich genau dorthin: zu einem Ort, der gleichermaßen Monumentalarchitektur, Kriegsproduktion, Kalten Krieg und urbane Mythen in sich vereint. Schon 2008, als einer der letzten Passagiere vor der Schließung, beeindruckte mich die gewaltige Halle, die stählernen Tore, die gigantische Dachkonstruktion und die fast erdrückende Wucht der Fassade. Tempelhof ist mehr als ein Flughafen – es ist ein Monument, das wie kaum ein anderes Gebäude die Brüche deutscher Geschichte widerspiegelt.

Ein Flughafen als Symbol: Bau und Ideologie (1936–1941)
Die heutige Gestalt des Flughafen Tempelhof entstand zwischen 1936 und 1941 nach den Plänen des Architekten Ernst Sagebiel. Das NS-Regime verfolgte dabei ein doppeltes Ziel: einerseits den Anspruch, den modernsten Großflughafen der Welt zu bauen, andererseits ein sichtbares Zeichen für die Macht und den globalen Anspruch des „Dritten Reiches“ zu setzen. Tempelhof wurde als neoklassizistischer Monumentalbau konzipiert – streng, kühl, überdimensioniert. Die mehr als einen Kilometer lange Gebäudefront, das weit auskragende Stahldach, die Schießschartenfenster, und die fast mythisch wirkenden Säulen erinnern an die Inszenierungsarchitektur jener Zeit. Tempelhof war geplant als ein zentraler Baustein von „Germania“, der zukünftigen Welthauptstadt, die Hitlers Architekten erträumten. Der Krieg zerschlug diese Vision, doch die Gebäude selbst überdauerten.
Tempelhof im Zweiten Weltkrieg – Ein Flughafen arbeitet im Untergrund
Während die Naziführung an Weltherrschaftsplänen scheiterte, veränderte sich der Alltag am Flughafen fundamental. Tempelhof wurde nicht nur Flugplatz, sondern ein wichtiger Standort der Kriegsproduktion. Unter der Haupthalle verläuft eine unterirdische Eisenbahnstraße, durch die Lastzüge direkt in das Gebäude gelangen konnten. Genau dort wurde während des Krieges der Jagdflugzeugtyp Focke-Wulf 190 montiert – geschützt vor Luftangriffen und perfekt eingebettet in das weit verzweigte Tunnel- und Schachtsystem des Flughafens.
Produktion und Eisenbahnstraßen im II Weltkrieg
Die technischen Anlagen waren ebenso beeindruckend wie versteckt. Unter dem Columbiadamm entstand ein eigenes Wasserwerk mit zwei großen Speichern. In den Kellern des Seitenflügels wurde ein Kraftwerk eingerichtet, das den Betrieb selbst im Kriegsfall sichern sollte. Fast fünf Kilometer Versorgungsschächte durchziehen das Gebäude bis heute. Dazu kamen mehrere Bunkeranlagen, darunter ein Film- und Archivbunker, der 1945 vollständig ausbrannte, nachdem sowjetische Truppen beim Eindringen die Tür sprengten. Besonders bemerkenswert ist ein Gewölbebunker unter Hangar 2, dessen massige Rundbögen später von der US-Armee als Schutzräume genutzt wurden.
Eine Fototour durch drei Epochen – Mein Tag im Inneren vom Flughafen Tempelhof
Während meiner vierstündigen Lost-Places-Fototour zum Flughafen Tempelhof gelangte ich an Orte, die selbst viele Berliner nie zu Gesicht bekommen. Im Luftschutzbunker aus der NS-Zeit entdeckte ich originale Wandmalereien aus der Vorkriegszeit, inspiriert von den Arbeiten Wilhelm Buschs. Die Räume des ausgebrannten Filmbunkers wirken bis heute bedrückend: Rußspuren, Brandgeruch und verkohlte Wände erinnern an den dramatischen Endkampf um Berlin.
Tempelhof nach 1945 – Kalter Krieg, US-Militär und schließlich das Ende
Nach dem Fall des NS-Regimes übernahmen die US-Streitkräfte den Flughafen. Tempelhof wurde zu einem der wichtigsten Stützpunkte des Kalten Krieges. Viele Bereiche, die heute leere Flure und vergessene Räume sind, waren damals hochfrequentiertes Militärgelände. Bis zur Schließung im Jahr 2008 diente der Flughafen sowohl dem zivilen Luftverkehr als auch militärischen Zwecken. Danach wurde er endgültig stillgelegt – und verwandelte sich in eines der größten öffentlich zugänglichen Frei- und Brachflächen Europas.
Heute ist Tempelhof ein Denkmal, ein Geschichtsort, ein Freizeitgelände und ein Magnet für Fotografen, Abenteurer und Urbex-Fans aus aller Welt. Gleichzeitig bleibt es ein Ort, der Fragen stellt: über Ideologie, Krieg, Freiheit und die Zukunft solcher gigantischen Bauwerke.
Das größte Baudenkmal Europas – Schließung im Jahr 2008
Flughafen Tempelhof heute: Im Flughafengebäude selbst traf ich, auf eine Mischung aus Leere und Größe. Die monumentale Empfangshalle, die noch 1992 modernisiert wurde, steht heute still. Früher wurden hier, bis zur Schließung am 30. Oktober 2008, bis zu vier Millionen Passagiere im Jahr abgefertigt. Auf dem Vorfeld, das einst ein Symbol nationalsozialistischer Überheblichkeit sein sollte, landeten 1948/49 Minutentakt die Maschinen der Alliierten, die West-Berlin während der Blockade mit lebenswichtigen Gütern versorgten. Das Luftbrückendenkmal vor dem Flughafen erinnert bis heute an diese Zeit, in der Tempelhof ausgerechnet durch die Rosinenbomber zum internationalen Symbol der Freiheit wurde.
Was ist aus Flughafen Tempelhof geworden?
Der Flughafen Tempelhof ist weit mehr als ein Lost Place. Er ist ein Stück extreme Geschichte, eingepackt in Beton, Stahl und Tunnel, durchzogen von Brüchen, Tragödien und Symbolkraft. Wer diesen Ort betritt, taucht automatisch ein in eine Welt, in der Architektur zum Werkzeug politischer Macht wurde – und später zum Schauplatz eines humanitären Wunders.























