Die historische Presshefefabrik und Brennerei
Auf unserer vergangenen Lost Places Fototour in Görlitz entdeckten wir diese ehemalige Fabrik. Die Fans von dĂŒsteren Industrieanlagen und detailverliebte Fotografen deren die Zeugnisse der Industrialisierung wichtig sind und diese in Ihren Bildern festhalten wollen, kommen hier voll auf Ihre Kosten. Zu entdecken gibt es ein Heizhaus mit viel Metall, Rost, Moos und Staub. In der Produktionshalle steht eine riesige Dampfmaschine mit scheinbar unendlichen Rohrleitungen die zum angrenzenden Kesselhaus fĂŒhren.
Als Mitte des 19. Jahrhunderts in der Stadt die wirtschaftliche BlĂŒtezeit vor ihrem Höhepunkt stand, lieĂ man an dieser Stelle eine Dampf-MĂ€lzerei-Brennerei und nördlich davon einen Ziegelofen mit Trockenscheune planen und errichten. Schon 1862 wurde das GrundstĂŒck mit den darauf befindlichen GebĂ€uden an die Herren Koch und Hagspihl aus Dresden verkauft. Bereits ein Jahr spĂ€ter zahlte Guido Oswald Hagsphil seinen Partner Koch fĂŒr 40.000 Reichsmark aus und war damit alleiniger Besitzer der “Görlitzer Getreidebrennereien, Presshefe – Sprit – und Malzfabriken”. Nachdem der FirmengrĂŒnder im Jahre 1915 verstorben ist, ĂŒbernahmen die Söhne die GeschĂ€fte. Im Jahr 1926 wurde die gesamte Fabrik fĂŒr 600.000 Reichsmark an die damaligen EigentĂŒmer der âUNION Leipziger Presshefefabriken und Brennerei AGâ in Leipzig-Mockau verkauft.
Nach dem zweiten Weltkrieg folgte die Enteignung
Im Jahr  1938 wurde die Fabrik in eine Aktiengesellschaft unter Beteiligung der Henkel & Cie. AG umgewandelt und firmierte weiter unter dem Namen âGörlitzer Getreidebrennerei Hagspihl und Coâ. Nach dem 2. Weltkrieg 1945 war die Fabrik erst durch einen TreuhĂ€nder in Verwaltung, bis 1955 die Enteignung der Firmeninhaber erfolgte. Die Umstrukturierung in einen volkseigenen Betrieb der DDR und die Eingliederung in die VEB Bramsch âDresden wurde veranlasst. Die Produktion von Alkohol und Spiritus trat in den Hintergrund, es wurde vornehmlich Hefe – ein Abbauprodukt der Alkoholproduktion – fĂŒr die Lebensmittelversorgung gebraucht. So wurde die Fabrik eine von fĂŒnf der DDR, welche Hefe fĂŒr die Staaten des Ostblocks produzierte. Es wurden jĂ€hrlich etwa 4400-4700 t Hefe produziert und 17600-19000 hl reiner Alkohol. Durch die vielen Feiertage und Feste zu DDR-Zeiten gab es Spirituosenmangel, deshalb wurde stetig dafĂŒr gesorgt, dass solche produzierenden Betriebe immer vorrangig mit neuster BĂŒrotechnik und Rohstoffen versorgt wurden. Bis zum Jahr 1990 firmierte das Unternehmen unter âVEB Bramsch, Betriebsteil Backhefe Görlitz, Nahrungsmittelkombinat Magdeburgâ und dem Ehrentitel âBetrieb der ausgezeichneten QualitĂ€tsarbeitâ. Die Auszeichnung der GĂŒte der Hefeproduktion in der Vergangenheit ist noch heute durch eine Vielzahl von Urkunden belegbar.
Nach der Wende 1989 – in den FĂ€ngen der Treuhandanstalt
Die Berliner Treuhandgesellschaft verkaufte im MĂ€rz 1991 die VEB Backhefe an eine Brennerei. Die weitere Produktion von Presshefe ist aus wirtschaftlichen GrĂŒnden, abgesehen von der Tatsache, dass einige Maschinen verschwanden oder vor der Ăbernahme verkauft wurden, eingestellt worden.
Die Fabrik stellte unter geschickter Umnutzung sowie vor aller technischer Verbesserungen und sukzessiver Erneuerung der Anlagen bis ins Jahr 2001 Rohalkohol her. Auch wurde eine Zweigstelle im benachbarten Reichenbach mit einer Kartoffel-Brennerei errichtet. Die Ănderung des Bundesmonopolgesetzes 1998 mit Wirkung zum Jahr 2001 stellte einen dramatischen Einschnitt fĂŒr den Produktionsstandort dar, weil hier durch die GesetzesĂ€nderung unvorbereitet die finanzielle Grundlage entzogen wurde.